Die DGB-Jugend geht wieder auf Berufsschultour. Jeanine Weigel, Bezirksjugendsekretärin des DGB Nord, sagt, worauf es ankommt.
© DGB-Jugend Nord
Jeanine, die Berufsschultour ist wieder im Gange. Inwiefern bist du dort eingebunden?
Bei uns wird die Berufsschultour bezirksweit durchgeführt. Das heißt, dass die Teamer_innen in allen drei Bundesländern, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, den Projekttag durchführen, egal wo sie selber wohnen. Das ist bundesweit etwas Besonderes. Früher war ich selber als ehrenamtliche Teamerin in den Klassen, dann habe ich die Tour als Jugendbildungsreferentin in Schleswig-Holstein organisiert und nun darf ich als Bezirksjugendsekretärin die komplette Tour in Absprache mit den Jugendbildungsreferent_innen planen. Meine Schwerpunkte sind zudem die strategische Weiterentwicklung des seit elf Jahren existierenden Projekts hier im Norden mit den Mitgliedsgewerkschaften und die Vorbereitungsseminare mit den ehrenamtlichen Teamer_innen.
Wie sieht ein Berufsschultag bei euch aus?
Das Team fährt bereits am Vorabend in die jeweilige Stadt. Am Abend wird besprochen, welche Ausbildungsberufe wir antreffen, ob es gerade Tarifkämpfe gibt etc. Am Morgen gehen wir früh zur Berufsschule, verteilen dort als Erstes Kaffeegutscheine, um auf uns aufmerksam zu machen. Anschließend gehen die Teams in die Klassen, wo sie dann den sechsstündigen Projekttag Demokratie und Mitbestimmung (PDM) durchführen. Währenddessen baut das Hofteam meistens draußen in der Nähe der Raucherecke unseren Hofstand auf, wo wir während der Pausen bei einem fair gehandelten Kaffee mit den Azubis ins Gespräch kommen, Erstberatungen anbieten und Infomaterial ausgeben.
Es gibt extra einen Bus, mit dem ihr auf den Schulhof fahrt…
Unser roter Tourbus ist schon von weitem als Anlaufpunkt sichtbar. Bei uns am Bus gibt es dann ein Glücksrad mit politischen und arbeitsweltlichen Fragen, tolle Gewinne und natürlich jede Menge nützliche Tipps rund um die Ausbildung. Der Tourbus ist also ein bisschen unser Herzstück!
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine Nachhaltigkeits-Projektstelle für die Berufsschultour. Wie wirkt sich das aus?
Das Projekt besteht dort gemeinsam mit dem Verein Dau Watt e.V. und wirkt sich sehr positiv aus. Wir versuchen, ausgewählte Klassen spätestens sechs Wochen nach dem PDM-Termin erneut zu besuchen. Die Klassen finden es prima, nicht nur weil sie keinen regulären Unterricht haben, sondern weil wir beim ersten Besuch viele ausbildungsrelevante Themen oft nur grob anreißen können. Unser Ziel sollte es generell sein, eine Zweitansprache umzusetzen.
Was bringt ihr den Azubis an Material mit?
Eine Menge: Wir haben neben unserem Heft "Rechte und Pflichten in der Ausbildung" zahlreiche kleine Flyer zu Themen wie Arbeitszeit, Zeugnis, Prüfungen etc. Damit können wir spezifisch auf eventuelle Probleme eingehen. Außerdem haben wir je nach Ausbildungsberufen auch Material der zuständigen Mitgliedsgewerkschaften dabei.
Wie reagieren die Azubis?
Sehr positiv. Denn oft ist unser Projekttag die erste Gelegenheit, wo sich die Azubis untereinander über ihre Ausbildungsbedingungen unterhalten. Kaum zu glauben, ist aber so. Der Austausch untereinander ist sehr wichtig, denn nur so können die Azubis begreifen, dass es hier nicht um ihr individuelles Schicksal geht, sondern dass es einen Interessengegensatz zwischen Kapital (Arbeitgeber) und Arbeit(-nehmer) gibt, in dem wir unsere Interessen erkämpfen (z. B. Tarifverträge, Arbeitsschutzgesetze) und verteidigen müssen. Unser Bildungsansatz zielt auf Selbsterkenntnis und Empowerment ab, und das kommt an. Nicht umsonst ist unser Motto: "Gemeinsam Gewinnen!"
Stichwort Demokratie: Inwiefern seid ihr mit Attacken von rechts auf dem Schulhof geplagt?
Die Berufsschulklassen sind ein Spiegel der Gesellschaft, daher erleben wir auch rassistische Äußerungen; und Teilnehmende, die in Nazi-Markenklamotten gekleidet sind. Meistens gibt es jedoch an Berufsschulen schriftliche Vereinbarungen, sodass wir handeln können.
Was meinst du: Hat sich das Klima in den Schulen geändert?
Der DGB Nord hat dieses Jahr wieder gemeinsam mit dem Bildungswerk der Wirtschaft in MV eine Demokratietour vor den Landtagswahlen durchgeführt. An diesem Punkt arbeiten wir tatsächlich konkret mit den Arbeitgebern zusammen: Gemeinsam gegen rechts! Der Diskussionsbedarf bei der jungen Generation ist groß, von Politikverdrossenheit keine Spur, die jungen Leute haben eine Meinung. Aber: Der Frust auf die etablierten Parteien ist groß! Die Gerechtigkeitsfrage, Verteilung von Reichtum, sich sozial abgehängt fühlen… Das sind die Herausforderungen, denen sich gestellt werden muss – und an denen die Parteien ihr Profil schärfen müssen. Das sind aber keine neuen Themen, sondern gerade in einem Bundesland, in dem die junge Generation kaum Zukunftsperspektiven sieht, Dauerbrenner. Das Klima hat sich für uns nicht wirklich verschärft, wir begleiten die Entwicklung seit Jahren. Denn wir kommen mit unserer Berufsschultour noch in Ecken des Landes, wo sonst weit und breit kaum noch gesellschaftliches Engagement sichtbar ist oder es Angebote für die Jugendlichen gibt.
Was ist unterm Strich das Wichtigste an der Berufsschultour?
Dass die Gewerkschaftsjugend mit einem zeitgemäßen, qualitativ hochwertigen Zielgruppenprojekt weiterrockt, und zwar gewerkschaftsübergreifend. Das ist einmalig.
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Mitmachen: Das ist die Berufsschultour
Es gibt viele gute Gründe, die Gewerkschaftsjugend ins Haus zu holen. Als Organisation junger Arbeitnehmer_innen nimmt die DGB-Jugend ihren Bildungs- und Orientierungsauftrag ernst und sucht auf den Schulhöfen und in den Klassenzimmern das Gespräch mit den Jugendlichen. Die Berufsschultour der DGB-Jugend ist bundesweit unterwegs. Jedes Jahr machen tausende Schüler_innen mit. "Wir wollen Auszubildende stärken und ihnen Mut machen, Mut zur Teilhabe", heißt es bei der DGB-Jugend. Das bedeutet: Die eigenen Rechte kennen, wissen, was Tarifverträge sind, verstehen, wie Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren.
Infos auf DGB-Jugend-Berufsschultour
(aus der Soli aktuell 11/2016, Autorin: Soli aktuell)